„Warum weinst du denn?“, wurde Jutta am Telefon von ihrer Tante gefragt. Eine Frage, die Jutta so in die Ecke drängt - ist es doch noch keine vier Wochen her, dass ihr kleiner Sohn an Heiligabend
gestorben ist.
Jutta sitzt mit ihren Mann zusammen bei mir im Beratungsgespräch und erzählt mir, dass ihre Familie gar kein Verständnis dafür hat, dass sie immer noch traurig ist.
„Ich dachte, ich bin stark, aber ich muss halt immer wieder weinen!“, resultiert sie aus dem Erleben mit ihrer Familie. Ich erkläre ihr, dass sie unheimlich stark ist, denn sonst würde sie gar
nicht vor mir sitzen.
„Wissen Sie, Frau Rutz, die sagen immer, ich solle etwas tun, was mich glücklich macht und dann würde es mir schon wieder besser gehen!“, erzählt Jutta.
Ich schaue sie an und sage: „Glücklich machen würde Sie doch im Moment nur, wenn ihr Sohn noch leben würde.“
Sie nickt traurig….
Ich bin immer wieder für einen Moment erschrocken, dass es so wenig Empathie und Verständnis gibt für die Situation dieser Familien. Das es nicht logisch ist, dass man vier Wochen nach dem Tod
des eigenen Kindes noch traurig ist und weint.
Ich wünsche mir mehr Aufmerksamkeit, mehr Aushalten, mehr Nachdenken - damit die Familien nicht denken, sie seien schwach, weil sie ihrer Trauer und ihrem Schmerz Raum geben. Den Raum, den es so
dringend braucht, damit so etwas wie Heilung überhaupt eine Chance hat.