Wann beginnt das Leben?
Beginnt es, wenn ein Baby in der 40. Schwangerschaftswoche lebend zu Welt kommt?
Oder beginnt es, wenn die 24. Schwangerschaftswoche erreicht ist?
Vielleicht beginnt es auch, wenn wir die 12. Woche geschafft haben?
Oder wenn wir im Ultraschall das erste Mal den Herzschlag sehen?
Vielleicht beginnt es aber auch in der Petrischale in der Kinderwunschklinik?
Wir arbeiten jeden Tag mit einem solchen Paradoxon, bei dem wir immer wieder aufklären und ins Gespräch gehen dürfen.
Was wird alles getan, um Leben zu zeugen? Um endlich schwanger zu werden? Was macht dieser positive Schwangerschaftstest mit uns? Gerade in Mamas und Paaren, die schon lange auf die Erfüllung
ihres Kinderwunsches warten, ändert sich sofort das Bewusstsein. Die Träume und Vorstellungen beginnen. Man trägt plötzlich Verantwortung für ein weiteres Menschlein.
Nun stirbt genau dieses Kind in der 05., 10., 20. oder 30. Schwangerschaftswoche und die Gesellschaft sagt: „Das war doch noch nichts!“ und nimmt den Eltern die Elternschaft wieder weg und
spricht dem Leben das Leben ab! Davon abgesehen, dass das nicht wirklich geht - auch wenn wir es noch so sehr versuchen - machen wir es den Familien noch schwerer, als es eh schon ist.
Egal, wann die Kinder sterben - es hat immer ein grosse Auswirkung auf das gesamte Familiensystem - ob wir das sehen oder ignorieren.
Auf dem Bild sieht man die Grösse meiner Schwester, als sie gestorben ist. Ihr Tod und die fehlende Möglichkeit, ihr Leben zu würdigen und den Raum für die vorhandene Trauer zu haben, hat unser
ganzes Familiensystem für immer durcheinandergebracht. Dieser Umgang bringt oft unendlich viel Leid in die Familien. Und diesen Umgang dürfen wir ändern! Damit es nicht mehr paradox ist, um
dieses kurze und doch für viele so unendlich wertvolle Leben zu trauern. Damit der Raum offen ist für die Liebe und wir als Gesellschaft nicht mehr meinen, bewerten zu dürfen und zu müssen, ob
das Leben „schon was war“ oder ob die Eltern schon lieben und tief trauern dürfen.